Am Sonntag den 15.12. haben wir PIRATEN eine Demo organisiert, um für gleiche Chancen für alle Parteien für eine Teilnahme an Wahlen zu demonstrieren. Dafür haben wir auch die Parteien Partei der Humanisten, ödp, Tierschutzpartei, Partei des Fortschritts und die Klimaliste eingeladen. Gemeinsam haben wir am Opernplatz dafür geworben, die erschwerten Bedingungen durch die vorgezogene Bundestagswahl zu überdenken. Unser Wunsch wäre natürlich, dass Parteien gar keine Unterstützungsunterschriften sammeln müssten, da sie nicht nur von der Belastung der Ehrenamtlichen her, sondern auch organisatorisch eine erhebliche Benachteiligung darstellen. Ein Kompromiss wäre jedoch möglich, und zwar dass die Parteien, die in den letzten 24 Monaten bereits durch die Sammlung von Unterstützungsunterschriften entsprechenden Rückhalt bei den Wahlberechtigten nachgewiesen haben, auf eine Sammlung verzichten können.
Auch unser Spitzenkandidat Sebastian Alscher hielt eine Rede. Die möchten wir hier gerne abdrucken.
Ich freue mich, dass wir hier zu so vielen stehen, uns gegenseitig wärmen und für eine bessere Welt kämpfen.
Nicht nur wir, die Menschen insgesamt, sind unzufrieden. Wenn man das Gefühl hat, dass bei Wahlen immer das Gleiche passiert, dann ist es kein Wunder, dass sich viele enttäuscht abwenden. Es passiert bei der Politik immer das Gleiche. Es verändert sich nichts in dieser Welt. Die Menschen haben nach wie vor die gleichen Probleme und keine Aussicht auf Veränderung.
Es ist ein Leben auf Sicht, das ihnen abverlangt wird. Sie wissen nicht: Können wir unsere Miete bezahlen? Welche Jobsicherheit haben wir? Wie wird es meinen Kindern gehen? Können sie Bildung erfahren, wie sieht unser Bildungssystem aus? Werden sie später einen guten Job haben können?
Es fehlt die große Linie in der Politik. Wo geht es eigentlich hin? Was ist die Vision, die Politik vermittelt? Welche Zuversicht kann Politik den Menschen geben?
Und hier, wenn ich von Politik spreche, meine ich die Politik, die wir aus dem Bundestag in Berlin erleben. Woher soll die Zuversicht kommen? Die etablierten Parteien beschützen sich gegenseitig. Sie erlassen Verordnungen, die es jungen, kleinen Parteien erschweren, in den Bundestag oder in die Landesparlamente zu kommen. Dabei geht es nicht nur darum, neue Ideen zu formulieren, sondern auch darum, diesen Ideen Gehör zu verschaffen.
Demokratie und Gesellschaft funktionieren nicht dadurch, dass jeder Einzelne bekommt, was er will. In der Regel funktioniert es vielmehr dadurch, dass jeder das Gefühl hat, gehört zu werden – mit seinen Sorgen, seinen Bedenken. Selbst wenn die Entscheidung am Ende anders ausfällt, ist es entscheidend, dass Menschen das Gefühl haben, sich einbringen zu können. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie gehört werden, dann tragen sie auch Entscheidungen mit, die nicht ihre eigenen sind, auch mal nicht ihr eigenes Interesse durchsetzen.
Doch das passiert nicht, wenn andere Stimmen ausgeschlossen werden. Die Parteien erlassen Verordnungen mit Anforderungen, die sie selbst gar nicht erfüllen müssen. Welche der großen Parteien steht hier und muss sammeln? Keine. Sich mal anderen Menschen auszusetzen, die Stimmung der Menschen zu hören – außerhalb der eigenen Parteien – das erleben sie leider nicht. Dabei wäre genau das oft sehr hilfreich.
Aber eigentlich geht es gar nicht nur um das Sammeln von Unterstützungsunterschriften an sich. Die Komplikationen, die daraus entstehen, sind viel größer als nur dieses Hindernis. Bundesweit müssen wir ungefähr 108.000 Menschen ansprechen, um die gleichen Bedingungen wie die großen Parteien zu haben. 16 Landeslisten, alle Wahlkreiskandidaten zur Wahl zugelassen bekommen – das ist unsere Herausforderung.
Wir müssen zuerst unsere Landeslisten und Wahlkreiskandidaten aufstellen. Dazu müssen wir zu Veranstaltungen einladen, die natürlich auch vorbereitet werden müssen. Dann haben wir eine bestimmte Menge an Wochen, um die Unterstützungsunterschriften zu sammeln und das Ganze bis etwa zum 20. Januar einzureichen. Erst dann wissen wir, wo wir antreten können. Die etablierten Parteien stellen noch bis Mitte Januar ihre Kandidaten auf. Sie wissen aber bereits jetzt, dass sie zur Wahl antreten werden, weil sie eben nicht sammeln müssen.
Kurz nach der Entscheidung, eine vorgezogene Wahl stattfinden zu lassen, konnten sie ihre Kapazitäten in Druckereien buchen und die Plakatflächen sichern. Mit Budgets von fünf Millionen Euro oder mehr, was für die großen Parteien kein Problem darstellt, planen sie ihren Wahlkampf. Wir hingegen müssen genau abwägen, wo wir Plakatflächen buchen und wie viele Plakate wir drucken können. So etwas können wir nicht auf Verdacht machen. Würde die Zulassung nicht gelingen, dann wäre das Geld verloren, es würde uns das Genick brechen. Das kostet uns Flexibilität und stellt uns vor große Herausforderungen.
Alle Parteien machen Politik aus Ehrenamt – auch die großen. Aber ich kenne niemanden aus den etablierten Parteien, der seinen Winterurlaub absagt, um hier draußen Unterschriften zu sammeln. Während sie zwischen den Jahren mit ihren Familien im Warmen sitzen, stehen wir hier, frieren und kämpfen darum, uns überhaupt in den politischen Prozess einbringen zu können. Das ist eine Ungleichbehandlung, die unsere Demokratie belastet.
Dadurch, dass keine frischen Stimmen in den Bundestag gelangen, steigt der Druck auf den politischen Kessel. Es fehlen neue Ideen, die Veränderung bringen könnten. Stattdessen erleben wir, wie Frust dazu führt, dass Menschen Parteien wählen, die demokratische Werte infrage stellen. Und so geraten Parteien in den Bundestag, von denen viele sagen, sie seien keine echte demokratische Alternative. Die gewählt werden, weil sie Zeigen, dass sie die Demokratie kaputt machen möchten.
Wir beobachten eine zunehmende Entfremdung von der Demokratie. Immer mehr Leute fragen sich, ob Demokratie wirklich die beste Form des Zusammenlebens ist. Das ist eine traurige Entwicklung. Wir stehen hier als Demokraten, weil wir an die Demokratie glauben und für sie kämpfen. Unsere Aufgabe ist es, diejenigen zu halten, die noch an die Demokratie glauben, und sie zu stärken. Eine Offene Gesellschaft bedeutet, dass wir in einem regelmäßigen Prozess bestimmen können, wer uns regiert. Es bedeutet, dass neue Ideen eine Chance haben – und das alles ohne Gewalt.
Dafür müssen wir kämpfen. Wir brauchen eine Offene Gesellschaft, die demokratischen Wandel erlaubt und neue Ideen möglich macht. Wir müssen dies ohne Radikalisierung schaffen und ohne die Demokratie selbst infrage zu stellen.
Ich freue mich, dass ihr hier seid, dass wir gemeinsam diesen Spirit versprühen. Ich wünsche uns allen viel Erfolg beim Sammeln von Unterstützungsunterschriften und bei der Teilnahme an der Bundestagswahl.