Wann ist ein Kauf ein Kauf?

Wie Digital Rights Management altbewährte Verbraucherrechte bedroht

Die Schließung des Microsoft-eBook-Stores dürfte manche Nutzer an einen entscheidenden Unterschied zwischen (den meisten) digitalen Buchkäufen und dem klassischen Papierbuchkauf erinnern:
Erwirbt man bei letzterem tatsächlich Eigentum an dem Buch und ist vom Buchhändler weitgehend unabhängig, sind eBooks oft mit sogenanntem Digital Rights Management (DRM) versehen. Das kann je nach konkreter Ausgestaltung bedeuten, dass man diese Bücher nicht oder nur eingeschränkt ohne Verbindung zu einem Server des Buchhändlers lesen kann.

Und genau so einen Server hat Microsoft im Juli abgeschaltet. Wer als Anwender Anmerkungen in Bücher geschrieben hat, verliert auch die. Immerhin erstattet Microsoft den Kaufpreis der betroffenen Bücher, und hat auch eine gewisse finanzielle Entschädigung für Inhalte angekündigt, die vom Kunden eingefügtworden waren und nun verloren sind (wenn auch mit gewissen Hürden).

Ob die genauen Ansprüche in dem Fall noch gerichtlich geklärt werden, soll hier nicht Thema sein. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass der Käufer eines eBooks bestenfalls Anspruch auf finanzielle Entschädigung hat. Einen durchsetzbaren Anspruch, das Buch zu behalten, gibt es aktuell nicht. Ähnliches gilt für Filme, Musik usw. (der Einfachheithalber soll im Folgenden beispielhaft von eBooks die Rede sein, auch wenn sich das Prinzip auf digitale Werkkäufe aller Art übertragen lässt) Eine Garantie, die Werke (ganz abgesehen von etwaigen selbst hinzugefügten Anmerkungen) überhaupt anderswo wieder kaufen zu können, gibt es auch nicht.

Dieser Zustand ist höchst unbefriedigend und lässt vor allem den Kunden mit den Konsequenzen allein, der selbst in der Sache nichts zu entscheiden hat:
Wenn sich ein Anbieter von eBooks dafür entscheidet, die von ihm “verkauften” Bücher mit DRM zu versehen, ist das dessen wirtschaftliche Entscheidung. Als Vorteil wird typischerweise angeführt, dass “Raubkopien” dadurch erschwert werden (und im Übrigen auch das Verkaufen oder Verschenken gebrauchter Bücher). Der Preis des Ganzen ist, dass dauerhaft DRM-Server betrieben werden müssen um die Bücher lesbar zu halten. Kann oder will der Anbieter den Betrieb dieser Server nicht weiter sicherstellen, könnte er im Prinzip seinen Kunden ab diesem Zeitpunkt eine freie Version (ohne DRM) zur Verfügung stellen, so dass niemand mehr auf die abgeschalteten Server angewiesen ist. Das wäre eine redliche Lösung, auf die der Kunde aber aktuell ebenso wenig Anspruch hat wie auf einen dauerhaften Betrieb der DRM-Server.

Genau hier sollte die Verbraucherschutz-Gesetzgebung eingreifen:
Wer einem Kunden ein eBook verkauft, sollte sich damit verpflichten, dieses Buch dauerhaft zugänglich zu halten. Diese Verpflichtung sollte im Idealfall so ausgestaltet sein, dass sie eine Insolvenz des Anbieters überdauert. Beispielsweise könnten bei einem Treuhänder DRM-freie Kopien hinterlegt werden, die dieser nach einer gewissen Frist den Kunden zukommen lässt, wenn der Anbieter seine Pflicht nicht erfüllt. Und/oder der Treuhänder schließt eine Versicherung gegen die Insolvenz des Anbieters ab, die einen Weiterbetrieb der Server finanziell sicherstellt.

Daraus muss keine Verpflichtung bis in alle Ewigkeit erwachsen. Ein Anbieter darf sich jederzeit von jeder weiteren Pflicht befreien indem er DRM-freie Kopien der verkauften Bücher bereitstellt. Spätestens mit Ablauf der Schutzfristen aus dem Urheberrecht (die mit bis zu 70 Jahren nach dem Tod des letzten Mit-Autors sehr lang sein können – aber das ist ein anderes Thema) spricht auch kein berechtigtes Interesse mehr dagegen.

Der Lösungsvorschlag hier ist nur eine grobe Skizze. Womöglich lässt sich auch auf anderem Weg ein angemessener Ausgleich erreichen. Der aktuelle Zustand ist jedenfalls nicht haltbar. Weder für Menschen, die sich darauf verlassen möchten, ein Buch zur dauerhaften Nutzung erworben zu haben noch für den Erhalt des kulturellen Erbes des Menschheit allgemein.

Hintergrund:
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Microsoft-Store-eBooks-ab-Juli-nicht-mehr-verfuegbar-4457997.html

Beitragsbild: Annette Schaper-Herget unter Verwendung eines Gemäldes von Carl_Schleicher: Lesender Mönch
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