Am 30. August 2025 zogen in Frankfurt rund 11 000 Menschen unter dem Motto „United 4 Gaza – Stoppt den Völkermord jetzt!“ durch die Straßen. Zunächst verboten, aus Sorge vor antisemitischer Hetze. Zwei Gerichte hoben das Verbot auf. Das Resultat: ein Aufzug, der uns wie ein Brennglas zwingt, in das Herz unserer Demokratie zu schauen – und zu erkennen, dass Freiheit, unkontrolliert, zu einem Instrument des Hasses werden kann.
Gerichte gegen Stadt – Recht gegen historische Verpflichtung
Oberbürgermeister Mike Josef sagte: „Wir müssen jüdische Bürger konsequent schützen.“ Ein Gebot der Vernunft, des Anstands. Die Gerichte entschieden anders: „Ein Verbot ist nur als ultima ratio zulässig.“ Juristisch korrekt. Historisch ein Affront. Denn diese „Freiheit“ gilt hier ausgerechnet für jene, die das Ende Israels herbeisehnen.
Freiheit, die Hass predigt, bleibt Freiheit nur auf dem Papier. Sie vergiftet die Gesellschaft, während die Verantwortlichen sich in juristischen Formeln sonnen. Die jüdische Gemeinde Frankfurts warnte: „Wir sind erschüttert, dass der Rechtsstaat antisemitischer Hetze eine Bühne gewährt.“ Keine Übertreibung. Das ist die Stimme derer, die unter Polizeischutz zur Synagoge gehen müssen, während die Straßen von Israel-Feinden besetzt werden. Wer schweigt, wird Komplize. Wer wegschaut, trägt Mitschuld.
Der Aufzug im Ostend – ein Spiegel der Verrohung
Die Bilder sind widersprüchlich: Tausende gehen friedlich, tausende schreien die Vernichtung Israels herbei. Ein Redner muss wegen Volksverhetzung von der Bühne geholt werden – er relativiert den Holocaust, verharmlost den blutigen Hamas-Überfall vom 7. Oktober 2023. Über 1 200 Menschen ermordet, Frauen sexuell missbraucht, Kinder verschleppt – der brutalste Angriff auf Juden seit der Shoah. Und doch wird dies in Frankfurt auf deutschen Straßen verharmlost. Eine Schande, die auf uns alle zurückfällt.
Polizeipräsident Stefan Müller betonte: „Wir sind hier, um Versammlungsfreiheit zu garantieren – und um rote Linien klar zu ziehen.“ Ja, die Polizei handelte besonnen, räumte Bühnen, beschlagnahmte Fahnen, sperrte Straßenzüge. Aber das Grunddilemma bleibt: Unsere Freiheit schützt nicht nur das Recht, sondern auch seine Feinde. Und wir müssen zusehen, wie sie marschieren.
From the River to the Sea, Palestine will be free“ – für die einen ein Ruf nach Selbstbestimmung, für die Opfer ein Aufruf zur Vernichtung Israels. Juristisch erlaubt, politisch und moralisch ein Schlag ins Gesicht der Opfer, ein Affront gegenüber der Geschichte. „Diese Parole bedeutet in ihrer Wirkung nichts anderes als das Ende Israels“, warnte Josef Schuster. Wer sie ruft, tut es wissentlich. Wer sie schweigend hinnimmt, wird zum Mitwisser.
Ein Spiegel unserer Gesellschaft
Die Demo zeigt: Deutschland steht gespalten, zerrissen zwischen Recht und Unrecht, zwischen Freiheit und Verantwortung. Für manche ein Triumph der Grundrechte, für andere ein Beweis des moralischen Versagens. Unser Rechtsstaat kann den Hass schützen, aber nicht aufhalten.
Es ist verstörend, dass wir in einem Land, das seine historische Schuld nie abstreifen wird, Demonstrationen erleben, auf denen Israel delegitimiert und der 7. Oktober verharmlost wird. Juristisch „erträglich“ – gesellschaftlich verheerend. Wer schweigt, hilft dem Hass. Wer zuschaut, macht ihn möglich.
Die Frankfurter Demonstration war kein Triumph der Demokratie, sondern eine Zerreißprobe. Gerichte stärkten die Freiheit, die Polizei handelte – das Ergebnis bleibt bitter. Während noch immer Geiseln der Hamas in Gaza leiden, hallt in Frankfurt die Parole, die Israels Auslöschung will.
Freiheit ist kostbar. Aber sie darf nicht zur Deckung von Hass werden. Wer Antisemitismus als Menschenrechtsprotest tarnt, muss widersprochen werden – laut, sichtbar, unnachgiebig. Wer an diesem Tag schwieg, hat nicht neutral gehandelt; er hat dem Hass Raum gegeben. Und das dürfen wir nie wieder zulassen.
Nasrin Amirsedghi
10315 Berlin, 5.9.2025