Chatkontrolle: Wir dürfen unsere Grundrechte nicht leichtfertig verspielen

Handyüberwachung

Die Piratenpartei steht für eine digitale Zukunft und ein selbstbestimmtes Leben. Freie Meinungsäußerung, freie Informationsweitergabe und -erhalt, Schutz personenbezogener Daten erachten wir als als existenzielle Grundrechte, um unabhängig und eigenständig Entscheidungen zu treffen. Die „Charta der Grundrechte der europäischen Union“ benennt explizit diese Rechte (Siehe Artikel 7,8,11) und begründet damit einen Raum der Freiheit und der Sicherheit. Sie sorgt dafür, dass es einen Schutzrahmen für die Bürger gibt, in dem sie sich frei und unbeobachtet bewegen können. Diese „Schutzzone“ ist in einer Demokratie von enormer Wichtigkeit, da hierdurch freies und kritisches Denken gefördert wird und einer Zensur vorgebeugt wird. Für uns als „europäische Partei“ ist die Charta der Grundrechte eine wesentliche Grundlage unseren politischen Handelns. Dennoch diskutiert die EU-Kommission gerade eine Verordnung, die unsere Grundrechte aushebeln würde.

Was genau ist die Chatkontrolle

Aktuell plant die EU-Kommission ein Vorhaben, welches unsere in der Charta festgelegten Grundrechte erheblich einschränken soll. Durch die Verordnung 2022/0155(COD) – besser bekannt als Chatkontrolle – sollen künftig private Chats, Nachrichten und E-Mails aller Bürger anlasslos durchsucht, überwacht und gespeichert werden. Man plant die flächendeckende Analyse von Bild, Text und Tonmaterial, um dadurch Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu finden. Ohne Zweifel müssen Straftaten immer verfolgt, aufgeklärt und geahndet werden, allerdings müssen dafür die Methoden so gewählt werden, dass sie effektiv und rechtmäßig sind. Doch genau in diesen Punkten wird die Chatkontrolle von vielen Organisationen (z.B. auch „Der Kinderschutzbund“) und auch von der Piratenpartei auf das Schärfstekritisiert.

Umfrage Zustimmung Chatkontrolle
Umfrageergebnis über die Zustimmung zur Chatkontrolle

Folgen der Chatkontrolle

Was wären nun die Folgen einer grundsätzlichen Überwachung unserer Kommunikation? Jegliche vertrauliche Information wird offengelegt. Intime Details, die Partner oder Freunde miteinander austauschen, werden, teilweise auch für Drittanbieter, sichtbar und zugänglich. Es wird nicht mehr möglich sein, unsere Nachrichten per Ende-zu-Ende Verschlüsselung zu sichern. Das Ärzte-, Bank-, Anwalts- und Briefgeheimnis wirdaufgehoben. Weiterhin könnten Journalisten, Aktivisten und Whistleblower, die vor allem in den letzten Jahren einen großartigen gesellschaftlichen Beitrag zur Demokratiesicherung geleistet haben, nicht mehr sicherarbeiten. Die Folgen der Chatkontrolle wären ein dramatischer Verlust unsere Freiheitsrechte und damit einer der zentrale Stützen unserer Zivilgesellschaft. 

Fehlende Rechtmäßigkeit der Chatkontrolle

Zu der Chatkontrolle hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages eine klare Stellung bezogen und schreibt folgendes Fazit: „… Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EUGH zur Vorratsdatenspeicherung ist davon auszugehen, dass an die Verordnung 2022/0155 (COD) hohe Anforderungen zu stellen sind und der Verordnungsentwurf in seiner aktuellen Fassung so nicht in Kraft treten dürfte. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine grundsätzliche Überwachung von Individualkommunikation der Überprüfung der (europäischen) Grundrechte standhalten würde. Zudem wäre eine Ausweitung der Überwachung auch auf andere Bereiche möglich und zu befürchten. Ausgehend von den genannten Aspekten und Problemen sieht der aktuelle Verordnungsentwurf unverhältnismäßige Eingriffe in die geprüften Grundrechte der GRCh vor.“

Das BVerfG führt in seinem Urteil vom 2. März 2010 zur Vorratsdatenspeicherung aus: „Eine globale und pauschale Überwachung in Form einer flächendeckenden Erfassung der Telekommunikationsverbindungen, wie sie die Vorratsdatenspeicherung darstelle, sei selbst zur Abwehr größter Gefahren verfassungswidrig. Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die für die Demokratie unerlässliche Unbefangenheit der Kommunikation….“

Entgegen den Behauptungen der EU-Kommission, dass Totalüberwachung eine erfolgversprechende Vorgehensweise zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch sei, bezeichnet Rainer Rettinger (Geschäftsführer „Deutscher Kinderverein e.V“) die geplante Chatkontrolle gegenüber netzpolitik.org als „massiven Eingriff in rechtsstaatliche Grundsätze“ und dass argumentativ der „Kinderschutz nicht missbraucht werden“ darf. Stattdessen fordert er wesentlich mehr Personal und Fachkräfte in Jugendämtern und eine fundierte Ausbildung im Kindesschutz. 

Fehlende Effektivität der Chatkontrolle

Auch die Effektivität der geplanten Chatkontrolle zweifelt Joachim Türk, Vorstand „Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.“ stark an und teilte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk mit: „dass der Großteil von Kindesmissbrauchsinhalten über Plattformen und Foren geteilt werde. Das anlasslose Scannen privater Nachrichten aus Messenger-Diensten oder E-Mails sei deshalb weder verhältnismäßig noch zielführend“.

Genauso bezweifelt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages die Effektivität der Maßnahmen stark und schreibt folgendes Fazit: „… fraglich, ob der aktuelle Verordnungsentwurf für das bezweckte Vorhaben überhaupt einen Mehrwert darstellt“.

Fazit

Im Vergleich mit anderen Staaten und Regierungen konnten wir bisher stolz sein auf unsere Grund-, und Menschenrechte. Wir dürfen uns durch die Chatkontrolle unsere demokratischen Schutzmechanismen weder aufweichen noch nehmen lassen. Grundrechte müssen Grundrechte bleiben und dürfen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Gerade wir Deutschen haben historisch bedingt eine Sonderstellung als Vorbildfunktion für ein funktionierendes Rechtssystem in einer Demokratie. 

Die Piratenpartei fordert zudem, einen deutlich verbesserten Schutz der Privatsphäre und das Recht auf digitale Selbstbestimmung. Wir möchten eine Anpassung unserer Grundrechte an die technologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre. Wir möchten erreichen, dass unsere Kinder und künftige Generationen in Recht und Würde leben können und vom digitalen Zeitalter profitieren.

Die Piratenpartei kämpft gegen das Vorhaben der EU-Kommission, die Chatkontrolle einzuführen!